01.09.1978

Netzle/Trümpler

 

Stephan und „Koner“ waren die Kinder einer neuen Regattabewegung im RCS, die sich nach den Olympischen Spielen von Mexiko (Roland Altenburger, Alfred Meister) und München (Heini Fischer) mit grossem Schwung und viel Idealismus ausbreitete. Behutsamer und umsichtiger Regisseur dieser Welle war Markus Handschin, der bereits 1973 einen reinen Schaffhauser Junioren-Achter an die WM nach Nottingham brachte; Leute wie Roland Altenburger, Felix Wilhelm, Peter Wehrli, Ruedi Keller und viele andere unterstützten ihn dabei tatkräftig in verschiedenen Funktionen und waren für uns Neulinge Vorbilder, Bootsgenossen und Trainer zugleich. Das Reservoir an jungen Ruderern war plötzlich gross geworden und alles war da: Eine passende Infrastruktur, kompetente Betreuer, Gruppendynamik und -druck, Freude am Erlebnis Rhein, Regattaerfolge, Leistungswille (welcher Club hatte damals schon jeden Sonntag 30 Jugendliche und Aktive auf einem langen, winterlichen Randenlauf?). Und anderes gab es noch nicht oder steckte in den Anfängen: die Flut von Freizeitangeboten, Individualismus, die Anbetung von unerreichbaren Mega-Sportstars, der Feldzug von Material und Kommerz im Sport.

Aufbau

Nach ziemlich verhaltenem Einstieg in die Regattawelt (Stephan war etwas zu klein, ich etwas zu schwer . . .) stellten sich bald erste Erfolge ein. 1975 waren zwei RCS-Achter Schweizer Meister, wir waren an Bord. Noch verliefen – altersbedingt – unsere Wege getrennt, aber die Stationen glichen sich: erste Junioren-Weltmeisterschaften in Montreal, Tampere und Belgrad, die anspruchsvolle, aber lohnende Schule des Zweier-ohne mit verschiedenen Partnern und später die Einsamkeit des Skiffiers.
Im Training auf dem Untersee stiessen wir denn auch als Einzelkämpfer erstmals aufeinander, wobei ich – als der jüngere – davon profitierte, dass Stephan RS-geschwächt war. Lange schaute Markus unserem getrennten Treiben aber nicht mehr zu («Wir sind kein Skuller-Club»), sondern drängte auf eine erste Ausfahrt im Zweier-ohne. Es sollte die erste sein von vielen Hunderten von himmlischen, höllischen, heissen,nassen, kalten, windigen, langen und beglückenden Ausfahrten…
Anfänglich wollte die Fachwelt nicht wahrhaben, dass mit diesem ungleichen Paar aus der nördlichen Provinz ein Zweier in Erscheinung getreten war, der etwas zu sagen hatte. So tat die NZZ einen ersten Achtungserfolg an der Frühjahrsregatta in Mannheim noch mit dem (falschen) Hinweis auf magere Konkurrenz ab. Wir aber hatten den internationalen Braten längst gerochen, hatten gemerkt, wie es unter dem Bug zu rauschen begann, wenn wir «Gas gaben», vom schier unfassbaren, tranceartigen Harmoniegefühl während den Trainingsausfahrten gar nicht zu reden. Und – kaum zu glauben bei all‘ der harten Arbeit – lustig hatten wir es auch noch!So entwickelten wir als verschworener Dreier mit Markus bald auch unsere eigene Sprache und Witze, die Aussenstehende kaum verstanden. In Anlehnung an eine damalige Deo-Werbung nannten wir unseren erfolgbringenden Rhythmus das «unglaubliche Roll-on», und als Gipfel des Übermuts erfanden wir unsere Version der Eskimorolle, bei der wir das Ruder während dem Vorrollen einmal in der Dolle um seine eigene Achse drehten.
In solcher Stimmung – aber nicht etwa ohne das Herz in den Hosen – traten der 22jährige Student, der 19jährige Schüler und ihr Buchhändler-Trainer im Sommer 1979 in Bled erstmals gegen den Rest der Welt an. Wir wurden Dritte, und diese Bronzemedaille ist wohl unsere süsseste Medaille überhaupt.

Koner Trümpler